Karl May Hörspiele
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Rezensionen / Kommentare

Winnetou 1
  Produktion: Reginald Iwinski - Regie: Reginald Iwinski


Eintrag von thoschw (vom 25.7.2005) (weitere Einträge von thoschw)

Dieses Hörspiel schont von Beginn an nicht die Ohren: Zunächst baut sich eine typische Wild-West-Geräuschkulisse auf: rhythmische Trommel, atmosphärische Xylophonklänge, Pferdegetrappel, Schießen, Stimmengewirr, Indianergeheul ... aber dann packt den Hörer das nackte , kalte Grausen: „Winnetou – Old Shatterhand --- Old Shatterhand und Wiiiiinnetouuuuu!!!“ ruftsingt es da in einem Tonfall aus anonymen Kehlen, als hätte man eine Horde Nachtwächter gerade in dem Augenblick auf die Zehen getreten, als diese am Schluß ihres Reimes die volle Stunde ausrufen ... Aaargghhh!!!

Die Aufnahme an sich vermag hingegen über weite Strecken zu überzeugen, die Sprecher sind hörbar in Spiellaune, Geräusche und Inszenierung adäquat, nur die Bearbeitung entfernt sich hier und da - wenn auch nicht inhaltlich, so aber doch sprachlich – von der Vorlage Mays. So ist es etwas gewöhnungsbedürftig, wenn etwa Old Shatterhand seine Landvermesser-Kollegen beständig als „Boys“ anredet. Ein weiteres, längers Beispiel mag die Art der mitunter eingestreuten „freien“ Dialoge illustrieren:

Sam Hawkens: Shatterhand, was habt Ihr denn? Euer Stöhnen geht mir auf die Nerven!
Will Parker: Seit wann hast du denn Nerven, Sam Hawkens?
Sam Hawkens: Will Parker, der alte Sam ist nicht aus Holz!
ick Stone: Nein, eher aus Leder.
Sam Hawkens: Sehr witzig!

Dick Stone wird übrigens von Kurt Schmidtchen gesprochen, der in den 70ern regelmäßig in Didi Hallervorders „Nonstop Nonsens“ zu sehen war und damit der bekannteste im Sprecherteam ist. Unter der Regie von Reginald Iwinski ist er außerdem auch in „Klaus Störtebeker“ (Primaphon, Maritim, u.a.) zu hören, daß wie wohl alle Hörspiele des Teams Baier/Iwinski auf 6 Singles bzw. 2 LPs erschienen ist. Neben den vier CBS-Karl-May-Hörspielen und der Aufnahme um den norddeutschen Seeräuber hat das Duo ferner mindestens noch die weiteren Produktionen „Robin Hood“ (ebenfalls Primaphon, Maritim, u.a.) und „Die Nibelungen“ (wiederum CBS) eingespielt, wobei diese drei „mittelalterlichen“ Aufnahmen ebenfalls von dort etwas passenderen minneartigen Gesängen ein- und ausgeleitet werden

Doch zurück zu „Winnetou, 1. Folge“: An zwei Stellen mangelt es der Inszenierung an notwendigen Pausen: Wenn Sam Hawkens mit Stone und Parker anfangs das Eisenbahnlager verläßt, und dabei kaum seinen letzten Satz vor dem Ausritt gesagt hat, so brummt fast übergangslos auch schon der Bär und die Westmänner schreien um Hilfe. Ebenso merkwürdig ist der Zeitsprung bei der Befreiung Winnetous und seines Vaters. Natürlich kann man die Szene nicht in Echtzeit inszenieren, nach der allein das Anschleichen Old Shatterhands Stunden dauern würde, wenn aber das Greenhorn quasi mitten im Gespräch mit Hawkens kurz mal zum Durchschneiden der Fessel und retour zum Lagerfeuer gebeamt wird, wo er dann auch noch kurz das Kleeblatt „Booh!“-mäßig erschrickt, dann mutet Regisseur Danner der alten Schmetterhand doch etwas zuviel übermenschliche Kräfte zu, selbst der in dieser Hinsicht nicht unspendable Karl May hätte das gewagt..

Und wenn ferner Old Shatterhand beim ersten Anblick Winnetous sagt: „Ich habe noch nie einen so schönen Menschen gesehen!“ so klingt dies doch eher nach einem Satz, den man bei einer ‚Liebe auf dem ersten Blick‘ empfindet, ganz so drastisch hat dies May nun auch wieder nicht ausgedrückt, und so hat es doch etwas den Anschein, daß die Autorin Ellen Baier hier entweder eine weibliche Betrachtungsweise auf Shatterhand projiziert hat oder sich die von Arno Schmidt & Co. formulierte homoerotische Deutung der Männerfreundschaft zu eigen gemacht hat.

Dabei läßt das doch etwas amateurhaft illustrierte Cover bezüglich der Titelfigur gar keinen Gedanken an ein Schönheitsideal aufkommen: Besonders das Gesicht Winnetous läßt sich allenfalls mit der Knautschzone eines Testwagens nach einem Frontalcrash vergleichen. Interessant ist dabei übrigens, daß - wie die Schwarzweiß-Abbildung derselben in „Das neue Lexikon rund um Karl May“ unter dem Stichwort CBS zeigt - zumindest die zweite der Single-Folgen ein anderes (übrigens nach einer Filmszene entworfenes) Coverbild ziert, welches freilich auch nur geringfügig gelungener zu sein scheint. Auf den Coverillustrationen der LP- wie Single-Fassung scheint Winnetou unter akuter Mumps zu leiden. Ferner steht zu befürchten, daß die Singles allesamt von dem grausigen Lobgesang auf die beiden Blutsbrüder ein- wie ausgeleitet werden, was bei der LP-Ausgabe glücklicherweise nur auf Anfang und Ende der Platte beschränkt ist.

Nach soviel Kritik und Lästerei bezüglich einiger Details bleibt aber festzuhalten, daß die erzählerfreie Aufnahme insgesamt gut unterhält und unter den drei „Winnetou I“-Single Serien nach der unübertroffenen Philips-Serie einen guten Mittelplatz einnimmt und so die erstmals auf dem Tempo-Label erschienene, von Egon L. Frauenberger produzierte Serie qualitativ locker hinter sich läßt.

kein Punkt
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